Vor rund 17 Monaten erhielt der junge Bauer aus Amden, Kari Boos, die Diagnose: akute myeloische Leukämie. Kurz vor Weihnachten kommt jetzt die frohe Botschaft: Er ist gesund.

Seine blonden Haare sind wieder da. Die Augen leuchten wieder, und er krault strahlend seine Mutterkühe. «Die Chemowellen sind wieder verschwunden. Es geht mir gut», sagt Kari Boos. Mit den Chemowellen sind die schwarzen Locken gemeint, die ihm nach der Chemotherapie ein eher ungewohntes Aussehen gaben.

Voller Zuversicht schaut er in die Zukunft. Viel hat er vor, der junge Bauer. Und er arbeitet wieder voller Elan und Energie auf seinem Hof im Aeschen in Amden. 17 Mutterkühe mit ihren Kälbern schauen sich neugierig im Laufstall um. «Der Stier hält Mittagsruhe», erklärt Kari.

Die Zeit, in der er den Stall wegen seiner Krankheit meiden musste, ist vorbei. «Es ist zwar noch nicht alles verheilt», sagt er. Aber es sei viel besser. Eben so, dass er wieder im Stall arbeiten kann.

Am 2. Dezember war er einmal mehr im Unispital in Zürich für eine Knochenmarkpunktion. Diesen Untersuch musste er im vergangenen Jahr vier Mal über sich ergehen lassen. Angst habe er jeweils nicht gehabt. «Ich war immer überzeugt, dass die Werte gut sind.» Diesmal wartete er doch etwas gespannter als zuvor auf die Auswertung. Und ausgerechnet diesmal dauerte es länger, bis er die Antwort erhielt. Aber als dann, am Dienstagabend, das ersehnte E-Mail eintraf, dass die Werte gut sind, da freute es ihn noch mehr. «Nun habe ich die kritische Phase überwunden.»

Ein Albtraum beginnt

Begonnen hatte alles im August 2014 mit Halsschmerzen und einer ungewöhnlichen Müdigkeit. Der damals 22-jährige Kari kommt ins Spital Uznach, danach ins Kantonsspital St. Gallen. Dort erhält er nach zwei angstvollen Tagen des Wartens die grauenhafte Diagnose: akute myeloische Leukämie. Für Kari bricht eine Welt zusammen.

Einen Tag nach der Diagnose beginnt die Chemotherapie. Die nächste Hiobsbotschaft folgt auf den Fuss. Eine überaus agressive Pilzerkrankung wuchert in seiner Nase und hinter den Augen. Grauenvolle Schmerzen begleiteten die sonst schon unangenehmen Nebenwirkungen der Chemotherapie. Kari gibt nicht auf. Er kämpft wie ein Löwe. Seine Familie mit ihm. Sie sind es gewöhnt, dass das Leben es nicht immer gut mit einem meint. Fünf Jahre zuvor erkrankte Karis Vater an Leukämie. Seine drei Geschwister haben alle Muskeldystrophie. Aber Zweifel oder Traurigkeit sind Fremdwörter im Hause Boos im Aeschen. So stützen sie auch Kari auf seinem beschwerlichen Weg.

Am 14. August 2014 tritt Kari in St. Gallen ins Krankenhaus ein. 72 Tage später darf er endlich nach Hause. «Das Heimweh machte mich fast fertig. Es war einfach nur schlimm», erinnert er sich heute. Heim darf er nur für wenige Tage. Danach ist die dritte Chemotherapie geplant.

Kaum zu Hause, am 29. Oktober 2014, erfährt er, dass für ihn ein Spender für eine Stammzellentransplantation gefunden wurde. Wenige Tage danach tritt er ins Unispital in Zürich ein und wird auf die Transplantation vorbereitet. Die dritte Chemo fällt glücklicherweise weg. Der Pilz ist noch da, aber so, dass eine Transplantation möglich ist.

Und dann, am 5. Dezember, erhält er den für ihn lebenswichtigen Beutel mit den Stammzellen seines Spenders angehängt. Bange Stunden folgen. Wird sein Körper den Fremdkörper annehmen? Familie, Freunde, Bekannte – alle drückten sie ihm die Daumen. Die Spannung ist zum Zerreisen. Überall präsent und fühlbar.

Heute schaut Kari entspannt auf seine Geschichte zurück. «Dass ich ganz gesund bin, das wird mir kein Arzt sagen», sagt er lachend. Aber er ist voller Dankbarkeit, dass er dank der grossen Unterstützung und der Leistung der Ärzteteams überlebt hat.

Mit Plänen in die Zukunft

Das Leben betrachte er heute etwas anders, als vor der Krankheit. «Wenn ich zum Beispiel auf der Alp bin und den Sonnenuntergang anschaue, dann atme ich zweimal tief ein. Früher hatte ich das mit einem Mal abgetan.»

Im Herbst hat er seine Ausbildung zum Landwirtschaftlichen Betriebsleiter wieder aufgenommen, die er wegen seiner Erkrankung abbrechen musste. Im Sommer 2017 wird er sie abschliessen. Und er hat noch weitere Pläne, verrät er. In einem Jahr möchte er das Elternhaus umbauen, so dass es für ihn und seine Eltern je eine Wohnung gibt. Und sein grösster Stolz, den Direktverkauf seiner Boos-Bio-Beef Produkte, möchte er in nächster Zukunft stärker vorantreiben. Und so wie er es in der Ausbildung lernt, dazu ein gutes Marketing betreiben.

«Und ich bin in der glücklichen Lage, als einer der wenigen Menschen zweimal im Jahr Geburtstag feiern zu können. Einmal am 2. Mai und einmal am 5. Dezember», sagt Kari Boos, lacht sein verschmitztes Lächeln und widmet sich wieder seinen Tieren.

Vorerst feiert er mit seiner Familie Weihnachten. Ein ganz spezielles Weihnachten. Mit dem Geschenk, dass er das Leben nochmals erhalten hat. (Gabi Heussi)

www.suedostschweiz.ch